Es wird immenser Druck ausgeübt

Ein Statement von Sarmina Stuman, Afghan Refugees Movement. Verfasst im Frühjahr 2021.

Wir vom Afghan Refugees Movement sehen, was die von der der Bundesregierung geförderte sogenannte freiwillige Rückkehr täglich bei unseren Landsleuten in Deutschland anrichtet. Aufgrund der Beratungstätigkeit von McKinsey werden afghanische Flüchtlinge systematisch vom deutschen Staat ihres Rechts auf Asyl beraubt. Da es aus Sicht der Bundesregierung anscheinend zu viel Geld und Zeit kostet, Afghan:innen abzuschieben, und es in den Medien ein negatives Echo zu Abschiebungen in ein Kriegsgebiet gibt, wird unter Bezugnahme auf eine Auftragsstudie der Unternehmensberatung McKinsey nun auf eine „freiwillige“ Rückkehr gesetzt.

Den afghanischen Geflüchteten wird suggeriert, sie hätten keine Chance auf Asyl in Deutschland. Noch vor der Asylantragstellung wird ihnen ein symbolischer Geldbetrag und ein kostenloses Flugticket zurück nach Afghanistan angeboten. Asylanträge von Afghan:innen werden systematisch abgelehnt. Mit dem Ablehnungsbescheid werden die Formulare zur Freiwilligen Rückkehr gleich mitverschickt – trotz der Möglichkeit, gegen den negativen BAMF-Bescheid zu klagen und obwohl solche Klagen 2020 in sechs von zehn Fällen erfolgreich waren.

Aus Einladungen der Ausländerbehörden zu Beratungsterminen zur Freiwilligen Rückkehr geht nicht hervor, ob diese Termine freiwillig oder verpflichtend sind. Solche Einladungen wurden nicht nur an afghanische Geflüchtete in laufenden Klageverfahren gesendet, sondern auch an solche mit einer offiziellen Flüchtlingsanerkennung. In Hessen ist es zudem gängige Praxis des Regierungspräsidiums – der Behörde, die auch Abschiebungen anordnet –, Flyer an afghanische Geflüchtete zu verteilen, die auf suggestive Weise über die Rückkehrprogramme informieren. Mit Bildern von Personen in Handschellen, die von der Polizei zu einem Flugzeug abgeführt werden, schüren sie zum Beispiel Ängste vor einer Abschiebung. 

Indem die zuständigen Behörden Geflüchtete aus Afghanistan schon bei ihrer Ankunft in Deutschland in die Kategorie „Schlechte Bleibeperspektive“ einordnen, erzeugen sie immensen Druck auf die Psyche der Menschen. Aufgrund dieser Einordnung haben sie keinen Zugang zu Deutschkursen und müssen in Flüchtlingslagern über Jahre hinweg wie in einem Gefängnis leben. Diese Isolation und Ausgrenzung haben bereits zu mehreren  Selbstmorden geführt. Matiullah Jabarkhel, der durch die jahrelange Unterbringung im Flüchtlingslager starke psychische Probleme entwickelt hatte, unterschrieb trotz laufender Klage gegen seinen Ablehnungsbescheid aus Verzweiflung die Papiere für die „freiwillige“ Rückkehr. Kurz darauf wurde er, nicht weit entfernt von seiner Unterkunft in Fulda, in psychisch instabiler Verfassung von einem Polizisten erschossen.

Es handelt es sich bei denen, die wie Matiullah einer „freiwilligen“ Rückkehrer nach Afghanistan zustimmen, tatsächlich um Rückkehrer:innen, die nicht weniger unfreiwillig ausreisen als Abgeschobene. Die deutsche Regierung will mit den erzwungenen „freiwilligen“ Rückreisen jedoch beweisen, dass Afghanistan sicher ist. Denn jede diese Ausreisen kann genutzt werden, um Abschiebungen in das Kriegsgebiet zu legitimieren.