NIGERIA

Plötzlich doch abgeschoben

Samuel Tosin Ayokunnumi: Nigeria – Deutschland – Nigeria

Verzweifelt schickt Samuel Tosin Ayokunnumi aus einer Gefängniszelle eine Sprachnachricht an seine Rückkehrberaterin: „Hello, I was sleeping at home, I am actually in a cell right now, they will be transporting me to Munich to go to Nigeria. Is this the organization? Is this how they do it, how they treat people? I tried to explain to the police, I am not done with my course. They said I should pack my things. Is this how it works? Because I am confused. Wow.“

Samuel lebte in einer Unterkunft in Aschau in Süddeutschland. Eines Nachts riss ihn ein Klopfen an der Tür aus dem Schlaf. Als er die Tür öffnete, standen fünf Polizisten vor ihm und schrien ihn an. „Nehmen Sie die Hände hoch!“ Sie zeigten ihm einen Brief aus dem Landratsamt, demzufolge er nun abgeschoben werde. Die Abschiebung war brutal. Man führte ihn mit Kabelbindern ab. Erst nach sieben Stunden durfte er sie abnehmen. Am Flughafen musste er sich bis auf die Unterhose ausziehen. Immer wieder versuchte er zu erklären, dass er an einem Rückkehrprogramm teilnimmt und deswegen nicht abgeschoben werden dürfe. Er hatte sich vor einiger Zeit zu einer Rückkehrnach Nigeria entschlossen, weil er eine gewaltvolle Abschiebung vermeiden wollte. Doch niemand hörte ihm zu.

Nur weil Aktvist:innen sich des Falls annahmen, weiß man heute, dass Samuels Abschiebung nicht rechtens war. Dabei handelt es sich keineswegs um einen Einzelfall, so das Unterstützungs-Netzwerk. Es gebe bundesweit eine Reihe weiterer Fälle unrechtmäßiger Abschiebungen von Menschen, die sich im Vorbereitungsprozess zu einer „freiwilligen Rückkehr“ befanden. In dem gecharterten Flugzeug, mit dem am 10.12.2020 insgesamt 43 Personen abgeschoben wurden, saß einem Bericht des Bayrischen Rundfunks zufolge neben Samuel noch eine weitere Person, die offiziell in einem Rückkehrprogramm registriert war.

Behördenfehler, Behördenwillkür

Die Aktivistin Astrid Schreiber berichtet: „Samuel war immer maximal kooperativ. Er hatte gearbeitet und gab bald nach der rechtskräftigen Ablehnung seines Asylantrags, wie von ihm verlangt wurde, seinen Pass bei der Ausländerbehörde ab und sprach bei der Rückkehrberatung vor.“ Hier schloss er eine Rückkehrvereinbarung ab und wurde in das Existenzgründungsprogramm „StartHope@Home“ der von der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) unterstützten Firma Social Impact vermittelt. In diesem Zusammenhang nahm er an vorbereitenden Workshops zur Unterstützung seiner Businesspläne teil.

Zurück in Nigeria sollte er weiter gefördert und bei der Umsetzung begleitet werden. Obwohl die Ausländerbehörde wusste, dass Samuel an dem Programm teilnahm – mit seiner dortigen Sachbearbeiterin stand er durchgehend in Kontakt –, ordnete sie die Abschiebung an. Weder die Rückkehrberatung noch die Social Impact gGmbH oder Samuel selbst waren darüber informiert worden. Warum?Aktivist:innen aus der Migrationssolidarität, die diesen Fall untersuchen, antwortete das bayrische Innenministerium, dass man die Vorkommnisse bedauere. Sie seien auf mangelnde Kommunikation zwischen den Behörden zurückzuführen– ein schwerwiegender Behördenfehler, der Samuels Zukunftspläne nachhaltig durchkreuzte.

Ein Rückkehrer im Abschiebeflug

Samuel war überzeugt, dass er mit „Perspektive Heimat“ selbstbestimmt ausreisen würde. Daher wurde er auch nicht misstrauisch, als man ihn aufforderte, einen Covid-Test in der Ausländerbehörde zu machen. An diesem Tag hatte er noch seine Sachbearbeiterin von der Ausländerbehörde getroffen, die von der bevorstehenden Abschiebung wusste und schwieg. Die Aufforderung zum Test hätte auch für die Rückkehrberaterin ein Hinweis sein müssen, dass etwas nicht stimmt. Denn niemand sonst aus der Unterkunft wurde getestet. Als das negative Textergebnis vorlag, war die letzte Hürde für die Abschiebung gefallen.

Nun ist Samuel in Nigeria, ohne die finanzielle Unterstützung, die ihm zugesichert worden war. Er hält Kontakt zu einer Gruppe engagierter Personen, die sich in Deutschland dafür einsetzen, dass die Behördenwillkür, die er erleben musste, aufgeklärt wird. Rex Osa von refugees4refugees ist einer der Aktivist:innen, die mit Samuel gegen die Behördenwillkür kämpfen. Er meint: „Mit Menschen wie Samuel werden Abschiebeflüge gefüllt.“