MARROKO

Verschwendetes Leben

Latifa Saouf: Marokko – Türkei – Deutschland – Marokko

Latifa Saouf* kommt 2015 nach Deutschland. Zuvor hat sie mehr als drei Jahre in der Türkei verbracht. Als sie etwas Geld zusammen hat, reist sie weiter nach Griechenland und erlebt an der Landgrenze die volle Brutalität von Polizei und Militär.

Viele Tage verbringt die junge Frau voller Angst in der eisigen Kälte der Grenzregion. Ihre Tasche mit der warmen Kleidung und allen wichtigen Dokumenten verliert sie. Aber sie schafft es bis ans Ziel, nach Deutschland. Ein Freund hatte ihr gesagt, dass sie hier das Friseurhandwerk lernen und Arbeit finden könne.„Für diesen Traum habe ich Tag und Nacht gekämpft und mein Leben riskiert.“

Keine Chance auf Papiere

In Deutschland erkundigt sie sich nach den Möglichkeiten, ist geduldig und bekommt sogar einen Platz in einem Deutschkurs. Doch nach mehr als drei Jahren muss sie sich eingestehen, dass ihre Suche nach einem neuen Leben, nach Arbeit und sicherem Aufenthalt gescheitert ist. 2019 gibt Latifa ihre Träume endgültig auf und unterschreibt den Antrag auf „freiwillige“ Rückkehr nach Marokko. Sie habe nicht mehr wusste, wie sie ihren Aufenthalt sichern soll. Einen Rechtsbeistand kann sie sich nicht leisten, von kostenlosen Angeboten weiß sie nicht. Auch körperlich geht es ihr nicht gut. Gleichzeitig empfindet Latifa ihre Rückkehr nach Marokko als „ungerecht". Nach all den Strapazen und Risiken fühlt sie sich „zurückgeschickt“. Immerhin: Die Rückkehrberatung in Düsseldorf versicherte ihr, sie nach ihrer Ankunft bei ihren beruflichen Plänen zu unterstützen.

Vor ihrer Abreise erhält sie am Flughafen ein Startgeld von 1.500 Euro. Danach beschränkt sich die Hilfe im Rahmen des Reintegrationsprogramms auf Beratungsgespräche zu Ausbildungswegen zur Friseurin. Sie nimmt auch an Reintegrations-Workshops der Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) teil. Hier sitzen auch Vertreter:innen des Amtes für Berufsbildung und Arbeitsförderung (OFPPT), der Nationalen Agentur für Arbeit (ANAPEC) und der Entraide Nationale (EA, Agentur des marokkanischen Ministeriums für Familie und Soziales).„Wie vielen anderen wurde mir versichert, dass weitere finanzielle Unterstützung kommen würde, wir müssten uns noch ein wenig gedulden. Doch es blieb bei der Ankündigung.“

Kurz nach ihrer Ankunft in Marokko eröffnet das deutsch-marokkanische Migrationsberatungszentrum (angegliedert an ANAPEC und in Kooperation mit der GIZ) in Casablanca. Zu seinen Aufgaben gehört es, die Reintegration von Rückkehrer:innen in die marokkanische Gesellschaft zu fördern. Basieren soll das auf den noch in Deutschland erfolgten Rückkehrvorbereitungen. Aber für Latifa tragen die Beratungen nicht zum Aufbau einer selbstständigen Existenz bei. Sie ist enttäuscht: „Es passierte nichts. Es waren alles nur leere Worte und Versprechungen.“ Sie zieht eine düstere Bilanz:„Ich habe nach meiner Rückkehr keine finanzielle Unterstützung von irgendeiner Behörde oder Organisation bekommen.“

Noch einmal aufbrechen?

Seit ihrer Rückkehr lebt Latifa in einem Arbeiterviertel von Casablanca. Sie verbringt ihre Tage zu Hause oder im Friseursalon einer Freundin. Es geht ihr nicht gut. Sie findet keine Arbeit und ihr soziales Umfeld zeigt wenig Verständnis für ihre Situation: „Ich leide unter der verbreiteten Sichtweise, dass Rückkehr ein Zeichen des Versagens ist. Manche werfen mir vor, dass ich zurückgekommen bin. Aber sie wissen einfach nicht, wie sich das anfühlt, nicht willkommen zu sein.“ Der Druck der Gesellschaft und die Perspektivlosigkeit sind es, die sie den Entschluss haben fassen lassen, es noch einmal zu versuchen: „Die Rückkehr nach Marokko ist wie eine Verschwendung meines Lebens. Migration scheint die einzige Möglichkeit, meine Träume zu verwirklichen. Was bleibt mir sonst?“

* Namen von der Redaktion geändert.