MALI

Zurück auf Los

Nyima Kouyaté: Mali – Libyen – Mali – Libyen – Niger – Mali

2010 verlässt die 30-jährige Nyima Kouyaté* mit ihren drei Söhnen ihr Zuhause in Mali und macht sich auf den Weg nach Tripolis in Libyen. Dort ist ihr Mann Omar als Schneider angestellt. „Wir wollten gemeinsam eine bessere Zukunft für unsere Kinder schaffen, hier oder in Europa“, erzählt sie.

In Tripolis ist alles neu und die Verständigung fällt ihr und den Kindern schwer. Doch Omar hat Freunde und Bekannte aus Mali gefunden, die ihr helfen. Omar arbeitet viel. Den Großteil des Geldes schickt er seinem Bruder nach Mali, der es sparen soll. Als in Libyen der Bürgerkrieg ausbricht, entscheiden sie sich, nach Mali zurückzukehren. Doch bei ihrer Ankunft in Bamako müssen sie feststellen, dass Omars Bruder das gesamte Geld ausgegeben hat. Da es vor Ort keine Einkommensmöglichkeit für die Familie gibt, reisen sie, trotz Bürgerkrieg, 2012 wieder nach Tripolis. Um ihre Kinder nicht zu gefährden, lassen sie sie bei Verwandten zurück.

Als Omar eines Abends im September 2014 zu einem Western Union Shop geht, um ihnen etwas Geld nach Mali zu schicken, wird er ausgeraubt und angeschossen. Er überlebt. Doch sieben Monate später stirbt er an den Folgen der Verletzung. Womöglich hätte man ihm im Krankenhaus retten können. Doch als es darauf ankam, waren die Straße von Milizen versperrt.

Der schwierige Weg zurück

Nyima versucht, Geld zu verdienen. Die malische Community ist für sie in dieser Zeit ein wichtiger Halt. Aber sie ist in tiefer Trauer und müde. Als sie von Rückkehrprogrammen hört, von Flugzeugen, die sie im Auftrag des Roten Kreuzes oder der Internationale Organisation für Migration (IOM) nach Bamako bringen können, möchte sie nach Hause zu ihren Kindern. Sie trägt sich in die Liste für  Rückkehrwillige ein und wartet. Vergeblich. Auch sechs Monate später hat sie noch keine Antwort. Dann sagt man ihr, sie solle nach Sabha, eine Stadt im Zentrum Libyens, gehen. Sie tut es, klopft dort beim Roten Kreuz an und fragt nach den Möglichkeiten der Rückkehr. Wieder kommt sie auf die Warteliste der IOM. Sie kontaktiert die malische Botschaft. Nichts passiert.

Im Jahr 2017 erfährt sie, dass es Autos gibt, die nach Mali fahren und Leute mitnehmen. Nachts steigt sie mit zehn anderen in einen Wagen. Nach vielen Stunden Fahrt durch die Wüste wird ein Stopp eingelegt für eine Reparatur. Ein paar Gestalten nähern sich und überfallen den Bus. „Alles haben sie uns genommen, noch den letzten kleinen Besitz.“ Praktisch mittellos erreichen sie einige Tage später die nigrische Wüstenstadt Agadez. Wieder sucht sie das Rote Kreuz auf. Noch vor dem Büro wird sie von malischen Beamten angesprochen, die ihr erklären, dass sie Malier:innen nach Bamako bringen und dort unterstützen würden. Vor der Abfahrt erhält jede Person 15.000 FCFA, etwa 22 Euro. Mit dem Taschengeld und ein bisschen Hoffnung steigt Nyima in den Bus der malischen Regierung, der sie nach Bamako bringt.  

Wieder am Anfang

Nyima hat die Visitenkarte der Beamten aufbewahrt und ruft die Nummer fast täglich an. Niemand geht ran, über Monate. Die Hoffnung auf Unterstützung schwindet. Sie klopft bei der Familie ihres verstorbenen Ehemannes an, doch dort wird sie verstoßen. Ernüchtert kehrt sie zurück zur Familie ihres Vaters und zu ihren Kindern. Mit etwas Geld von ihrem Bruder kauft sie Stoffe, mit denen sie auf dem Markt handelt. So versucht sie, über die Runden zu kommen, Doch sie sagt ganz klar: „Gäbe es hier ein Auskommen für mich, würde ich bleiben wollen. Aber welche Zukunft hält das Land für meine Kinder und mich bereit? Wüsste ich meine Kinder hier sicher untergebracht, würde ich wieder aufbrechen, nach Libyen oder nach Europa. Ich würde es für sie tun. Habe ich denn eine Wahl?“

* Namen von der Redaktion geändert.