MARROKO

Unerfüllte Versprechen

Benyounes Khattabi: Marokko – Spanien – Belgien – Holland – Deutschland – Marokko

Benyounes Khattabi* ist jung, als er seine Zukunftsträume im eigenen Land aufgibt. Er wächst im Norden Marokkos auf, wo die Jugendarbeitslosigkeit hoch ist, 2011 der Ruf nach sozialer Gerechtigkeit größer wird und die Proteste gegen die Regierung beginnen.

Sie sind zu neunt zu Hause, und er will und muss seine Familie unterstützen. Obwohl er bereits zwei Handwerksausbildungen abgeschlossen hat, sucht er vergeblich nach Arbeit. Es scheint unmöglich, sich eine ökonomisch stabile Perspektive aufzubauen. Als Benyounes im Sommer 2014 den Entschluss fasst, Marokko mit dem Boot zu verlassen, ist er 25 Jahre alt und will seine Zukunft endlich selbst in die Hand nehmen. In Spanien angekommen, versucht er Arbeit zu finden. Doch fehlende Papiere erschweren die Suche, und so reist er sechs Monate später weiter nach Belgien, versucht dort Fuß zu fassen und seine Aufenthaltssituation zu klären. Nach einem Spießroutenlauf durch die Institutionen gelangt er Jahre später über Holland nach Deutschland.

Verlockende Reintegration

In Bonn möchte er, diesmal mit Unterstützung eines Anwalts, seinen Aufenthalt sichern. Doch seine Chancen stehen schlecht. So kommt es, dass er schließlich eine Rückkehrberatung aufsucht. Dort wird ihm mitgeteilt, dass man ihm beim Aufbau einer selbstständigen Tätigkeit in Marokko unterstützen werde. Und nicht nur das: Nach gründlicher individueller Prüfung sichert man ihm zu, dass er vor seiner Rückkehr noch am Flughafen eine finanzielle Unterstützung in Höhe von 1.500 Euro erhält. Zudem bestehe Aussicht auf eine zweite Rate in Höhe von 1.000 Euro nach der Ankunft in Marokko und könnten seine Mietzahlungen bis zu 18 Monate ganz oder teilweise übernommen werden.

Zusätzlich wird ihm Hilfe bei einem in Marokko noch anhängigen Gerichtsverfahren zugesagt, insbesondere hinsichtlich der Begleichung einer noch ausstehenden Geldbuße. Benyounes schöpft neue Hoffnung. Er fühlt sich nicht mehr allein und stimmt der Rückkehr zu, auch wenn es sich wie ein Rückschritt anfühlt. Er glaubt daran, dass seine lange Suche nach einer sicheren Zukunft nun doch in seiner Heimat zu einem Ziel führen würde.

Hilfen vor Ort? Keine

Im Februar 2019 erhält er sein „One-Way-Ticket“ und das notwendige Laissez-passé-Dokument, das seine unkomplizierte Einreise nach Marokko und im Bedarfsfall Hilfe und Schutz gewährleisten soll. Noch in Deutschland erhält er die zugesicherten 1.500 Euro Starthilfe. Bei seiner Ankunft am Flughafen Mohammed V. in Casablanca wird der junge Marokkaner jedoch direkt von der Polizei verhaftet. Seine Dokumente bieten ihm keinen Schutz. Eine Routineuntersuchung, sagen die Beamten. Nach drei Tagen in Gewahrsam lassen sie ihn gehen. Doch es wird nicht viel besser. Vergeblich versucht er, die zweite Rate der Rückkehrhilfe zu erhalten.

Angesichts von Covid-19-Vorsichtsmaßnahmen und seiner eigenen Quarantäne kann er mit dem IOM-Büro in Rabat nur telefonisch in Kontakt treten. Er erhält die Antwort, dass er sich gedulden solle, man arbeite an seiner Angelegenheit. Benyounes fragt noch oft nach. Nach sechs Monaten wird ihm mitgeteilt, dass seine Akte seit einiger Zeit geschlossen und die Frist für den Erhalt der zweiten Rate abgelaufen sei. Das gleiche sei mit der Begleitung, Orientierung und Unterstützung bei seiner Existenzgründung der Fall, sein Anspruch sei verwirkt. „Obwohl ich alle entsprechenden Papiere vorlegen konnte, wurde kein Versprechen eingehalten“, klagt er bitter.

Und wenig überraschend wird er auch in Bezug auf das Gerichtsverfahren und die ausstehende Geldbuße im Stich gelassen.„Ich habe wirklich daran geglaubt, dass ich mit dem Rückkehrprogramm in Marokko eine Zukunft habe, deshalb bin ich zurückgegangen. Aber bis auf das Startgeld wurde nichts eingehalten.“ Er hat das Gefühl, sich im Kreis zu drehen: Nach langen mühsamen Jahren steht er wieder am Anfang und hat nichts in der Hand.

* Namen von der Redaktion geändert.